Bezaubernde Rosi

Leben und Ansichten eines kleinen Hundes mittleren Verstandes

Die nackte Wahrheit

Dezember 2018

 

Wenn etwas Unangenehmes vorbei ist, fällt es den meisten leichter, darüber zu reden. So geht es auch mir. Darum rede ich jetzt. Denn das Schlimmste ist vorbei.

Es fing alles damit an, dass ich im März 2016 wieder mal vom Chef zum Friseur chauffiert wurde, weil ich einen saisonal passenden Haarschnitt bekommen sollte. Es frühlingte und das Fell wurde daher in Erwartung steigender Temperaturen kurz geschoren (siehe hier). Soweit so gut.

Normalerweise sprießt mein Fell nach einem Haarschnitt wie Unkraut und schon ein paar Wochen nach dem Friseurtermin sehe ich wieder aus wie vorher. Aber diesmal? Stillstand! Auch Monate später sah ich wie frisch geschoren aus. Eigentlich nicht schlecht für die Kasse von Chef und Chefin. Aber irgendwann kam es meinen Menschen doch seltsam vor, dass mein Fell überhaupt nicht mehr wuchs.

Also schleifte mich mein Chef nach ein paar Monaten zur Tierärztin zur Begutachtung. Die schien das nicht sonderlich zu interessieren, murmelte was von Post Clipping Syndrome und meinte, irgendwann würde das Fell schon wieder anfangen zu sprießen.

Ob dieser erschöpfenden Diagnose führte mich der Chef einer weiteren Ärztin vor. Die machte alle möglichen Untersuchungen mit mir, die vielleicht gut, auf jeden Fall aber teuer waren. Sie verordnete mir Melatonin. Ich möchte mich nicht im Detail verlieren. Auf jeden Fall war ich am Ende der Therapie immer noch so gering befellt wie am Anfang. Also, wenn das nicht helfe, müsse man wohl eine Biopsie machen, um der Ursache auf dem Grund zu gehen, sagte da die Ärztin.

Biopsie! Weißt du, was das bedeutet? Es sollten aus meiner Haut Löcher gestanzt werden und zwar gleich an mehreren Stellen. Natürlich unter Vollnarkose, weil die Löcher wieder zugenäht werden müssen. Als mein Chef das hörte, packte er mich unter den Arm und flüchtete mit mir aus der Praxis. Danke nochmal Chef, dass du mich nicht hast perforieren lassen.

Die dritte Ärztin war sehr nett zu mir und hat den Chef darin bekräftigt, keine Löcher in mich machen zu lassen. Sie hat mich auf Milben und fehlende Schildrüsenhormone behandelt. Alles mögliche Ursachen bei ausbleibendem Fellwuchs. Bloß nicht bei mir. Da ich ein außergewöhnlicher Hund bin, gebe ich mich mit so Allerwelts-Ursachen nicht ab. Irgendwann erklärte die Ärztin Nummer drei, sie sei jetzt mit ihrem Latein am Ende. Immerhin bekamen wir noch eine neue Diagnose. Inzwischen hieß meine Krankheit Allopezie X. Falls du kein Latein kannst: Allopezie heißt Haarausfall und X bedeutet keine Ahnung, woher das kommt.

Aber immerhin hatte die nette Ärztin Nummer drei noch eine Idee. Eine Kollegin von ihr würde schwierige Fälle homöopathisch behandeln. Sie könne sie ja mal fragen, ob sie mich mal begucken wolle.

Das hat sie dann auch getan. Ganz genau. Jedes Härchen, jedes Fältchen, jedes Schüppchen wurde begutachtet. Und gefragt hat die! Sie hat meinem Chef eineinhalb Stunden ein großes Loch über mich in den Bauch gefragt.Was die alles wissen wollte! Was ich mache. Wie ich es mache. Wie oft ich es mache. Und so weiter. Dann hat sie uns nach Hause geschickt und hat eine ganze Woche lang nachgedacht. Nach der Woche bekam ich feierlich ein winziges Kügelchen unter einer Lefze appliziert. Wie oft ich denn so ein Kügelchen nehmen solle, wollte der Chef wissen. Das sei die Behandlug gewesen, erklärte die Homöopathin uns und schickte uns nach Hause.

Und dann passierte: nichts, wochenlang. Das ließ sich die Ärztin bei ihren regelmäßigen Anrufen ganz genau beschreiben. Und meinte: "Ich habe ein sehr gutes Gefühl." Und dann passierte nach einigen Monaten endlich was. Das bisschen Fell, das ich hatte, fing an auszufallen! Die Homöopathin erklärte, sie sei sehr zufrieden, denn das alte Fell müsse Platz für das neue machen. Der Zeitpunkt war etwas ungünstig gewählt, denn es war Hochsommer und ich halb nackicht. Chef und Chefin hatte ihre Mühe, mich von der Sonne fern zu halten, in der ich im Sommer so gern liege. Im August 2018 sah ich dann so aus:

Und tatsächlich fing an den nackten Stellen das neue Fell an zu wachsen. Inzwischen ist mein Fell zu 95 Prozent wiederhergestellt. Inzwischen sehe ich fast überall wieder so aus:

Viele Menschen behaupten ja, man müsse an die Homöopathie glauben, nur dann funktioniere sie. Aber ich kann ja nicht glauben, ich bin ja ein Hund. Also muss es mit den Kügelchen noch etwas anderes auf sich haben. Aber darüber nachzudenken ist mir echt zu anstrengend.

Hauptsache Fell!

 

Übrigens: Chef und Chefin haben mir versprochen, dass ich nie wieder zum Frisör muss. Denn inzwischen haben Sie gelernt, dass es für die allermeisten Hunderassen völlig unnötig und unter Umständen sogar schädlich sein kann, Hunde zu scheren. Deshalb haben Sie immer noch ein sehr schlechtes Gewissen. Ich lasse sie noch etwas schmoren ;-)